Der Mann am Klavier

Besondere Brüsseler Bob-Beobachtungen

Thomas Waldherr hat in Brüssel genau hingeschaut, Foto: Cowboy Band Blog

So langsam schlurfend Dylan die Bühne betritt, so sehr „on fire“ ist Dylan aber am Klavier an diesen beiden Brüsseler Abenden (26. und 27. Oktober), die wir ihn im Kulturzentum Bozar erleben durften. Der Dylan dieses Herbstes ist sehr viel kraftvoller, dynamischer und spielfreudiger als der Dylan des letzten Herbstes, so wie wir ihn in Frankfurt sahen. Die beiden Brüsseler Konzerte waren musikalisch stark und beeindruckend bezüglich von Dylans Präsenz und Dynamik. Captain Bob hat die Zügel fest in der Hand.

Kraftvoller Gesang, kreatives Klavierspiel

Am Klavier entfaltet er sich, haut in die Tasten, singt kräftig, mal fein und zart, dann wieder kraftvoll-heulend. Den Mann am Klavier gibt Dylan seit vielen Jahren schon. Anfangs noch alternierend zum Gitarrenspiel, dann unternahm er mit Mikrofon und Mundharmonika Ausflüge in die Bühnenmitte. Seit dem Beginn der „Rough And Rowdy Ways-Tour“ im Herbst 2021 sitzt er fast durchgehend am Piano. Letztes Jahr stand er hin und wieder auf, tapste ein bisschen herum und hielt sich am Klavier fest. Diesmal sitzt er das ganze Konzert über. Seit dem letzten Jahr daddelt er ein bisschen sitzend an der Gitarre in der Einleitung zu „It Ain’t Me Babe“. An den beiden Brüsseler Konzerten greift er noch ein zweites Mal mit dem Rücken zum Publikum zur Gitarre. Bei „When I Paint My Masterpiece“ jammt er mit der Band die von „Istanbul/Not Konstantinopel“ geliehene Rhytmuslinie, variiert sie. Bob und seine „Gang“ spielen als wären wir gar nicht da. Alle scharen sich noch länger um den Meister, als ohnehin schon.

Das erste Konzert war in meiner Erinnerung noch stärker als das zweite. Immer wieder holt er ganz kreativ Klavierfiguren, mit denen er die Freiräume füllt, die ihm die Band. Sie schaffen einen Rhythmus- und Klangteppich auf dem er sich entfalten kann. Tony Garnier ist der versierte Bandleader, jetzt schon 36 Jahre (!) mit Dylan zusammenspielt. Anthony Fig ist der beste Dylan-Drummer seit George Receli und die beiden Gitarristen Bob Britt und Doug Lancio ordnen sich ohne jegliche Soloallüren in die geschlossene Mannschaftsleistung ein, wie man im Fußball wohl sagen würde. Sie tragen aber dadurch entscheidend zum hohen musikalischen Niveau der Bob Dylan Band bei.

Dylans sparsame, aber aufschlussreiche Mimik

Am zweiten Abend gelingt es Dylan nicht so sehr, zündende Klavierfiguren aus dem Ärmel zu schütteln. Dann stutzt er, überlegt er und schwimmt dann im Klangteppich mit. Überhaupt muss man Dylan bei einem Konzert nahe sehen, denn seine sparsame Mimik und Gestik erschließt sich aus der kurzen Distanz. Beim zweiten Konzert blickte er mehrmals zur Seite und nach hinten, als wäre er mit irgendwas unzufrieden.

Beide Abende trägt Dylan seine Kämpfe mit dem Mikrofon aus. Am Anfang singt er neben das Mikro, dann wird den ganzen unablässig das Mikrofon von Dylan hin- und hergezerrt. Einmal scheint es einfach perfekt zu sein, da schiebt er es wieder in eine nicht so richtig gute Position.

Dylan trägt nun ganz schlichte dunkle Anzüge. Am zweiten Abend trägt er ein blaues Jackett, darunter ein simples schwarzes T-Shirt. Die Zeit des Hoodies ist vorbei, aber auch Westernanzüge und Hüte bleiben derzeit im Schrank.

Kein Gefühl des „Abschieds“

Dylan höchstens einmal „Thank You“, stellt seine Band nicht vor. Dafür steht er immer zwischen den Songs immer mal wieder kurz vom Sitz auf. Teils einfach aus Freundlichkeit und Dank, denn man meint, die Mundwinkel gingen ein bisschen nach oben, teils wohl auch als Zugeständnis an das Publikum. Denn wenn man im Parkett in den vorderen Reihen auf der linken Seite sitzt, kann man in den gut 110 Konzertminuten ansonsten nur ein paar Locken von Dylan blitzen sehen.

Am Ende dann bleibt Dylan dann einige Zeit mit durchaus freundlichem Gesichtsausdruck dem Publikum zugewandt stehen. Dann schlurft er wieder in die dunklen Bühnenabgang zurück. An diesen Abenden kam nicht einmal ein Gefühl des Abschieds auf, wie wir es in Frankfurt 2024 tatsächlich ein bisschen spürten. Wer weiß, vielleicht steht die Sommertour durch Europa 2026 schon beim Meister auf dem Plan.

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